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Kapitel 21 * 556-Kbyte und das N

Alles lief. Auch die Probleme. Die Ruhe vor dem Sturm und jetzt war Jan so richtig am Arsch. Tatsächlich hatte er einen Adapter bekommen. Tatsächlich liefen beide Monitore und tatsächlich konnte man auch den Mauszeiger bewegen. Er musste dafür auch kein Vaterunser oder einen Rosenkranz beten. Elke und er waren einfach nett und höflich auf den unscheinbaren Stand zugegangen und Jan hatte Elke das Reden überlassen.

24 Stunden 7 Tage die Woche – Gott war also immer online

Jan hatte sich sehr gut benommen, wie er fand, und so hatten sie auch seltsamer Weise ganz schnell aus einer Kiste mit ganz vielen Teilen einen Mac to VGA gekramt bekommen. Der junge Mann war sehr nett.
Er trug einen Pullover unter dem ein Hemd hervor lugte. Jan hatte bei den Weihrauchbrüdern mehr so klerikales Outfit erwartet, aber scheinbar waren die hier alle in Zivil oder Pullover und Hemd so eine Art Uniform.
„Das ist wirklich nett.“ Elke flötete freudig als sie den Adapter in der Hand hielt.
„Was bekommen Sie dafür? Wir bezahlen das auch.“
Der junge Mann wehrte das mit einer Handbewegung ab und Jan wartete auf ein „Nehmt es in Gottes Namen und geht in Frieden.“ wurde aber überrascht.
„Nein, alles gut. Wir haben reichlich von den Dingern. Am Ende der Messe einfach zurückbringen.“
Messe? Jan kicherte kurz doch Elke zerdrückte ihm schnell die Hand. Reichlich von den Dingern? Das klang ein wenig nach Paradies…
Nun Gott, in Gottes Namen, dachte Jan gerade und bereute fast, dass der Adapter den Bildschirm zum Laufen gebracht hatte.
„Das kann nicht sein!“
„Oh, mein Gott!“
„Ich kriege Herpes!“
Jan fluchte vor sich hin und suchte nach dem nächsten Superlativ für Scheiße. Elke, die nach dem göttlichen Adaptersegen erstmal ein wenig Pause machte und von einem Caterer zwei Cola und Baguettes besorgt hatte, schaute auf.
„Was ist los?“
Jan schnaubte und rieb sich Kinn und Nase. Katastrophe. Wie bekloppt konnte man eigentlich sein.
„Was ist?“ Elke rückte näher an Jan heran, der vor dem Monitor stand und fluchend zur Salzsäule erstarrt schien.
„Da ist ein n“. Jan konnte es immer noch nicht fassen, „da ist ein „N…“ , stotterte er weiter.
Mit dem Mauszeiger hatte sich der weißen Schrift auf blauen Grund genähert und zeigte jetzt auch mit der linken Hand in diese Richtung.
„Nicht wirklich!“ Elke nutzte diese Phrase immer in Momenten wie diesen…
„Doch…“ Jan schwankte.
„Doch da ist ein N…“
„Hallo Frau Rittmer! Schön Sie zu sehen!“
Die Hölle fror zu. In Jans Nacken bildeteten sich Schweißperlen, die im selben Augenblick gefroren. Fegefeuer und Prof. Sturz , die eigentlich- … und … hießen standen in feinstem Zwirn vor dem Eichefurnier-Ensemble. Sie waren wie aus dem Nichts aufgetaucht. Roch es ein wenig nach Schwefel? Jan war sich nicht sicher. Er hatte sich reflexartig vor den vorderen Monitor gestellt und verdeckte diesen komplett. Nett grinste er in Richtung der beiden Frackträger, denen Elke bereits mutig entgegen geschritten war. Geschickt hatte sie gerade noch ein paar Krümmel Croissant von ihrem Bauch gewischt.
„Hallo Herr Dr. Stör und Herr Fegemeier, das ist ja eine Überraschung. Elke konnte sich Namen sehr gut merken.
Ihre Stimme war honigweich.
„Sie sind aber früh dran.“
Elke schaute dabei kurz auf ihre Uhr. Ihr ganzes Lachen schaffte es ehrliche Freundlichkeit auszustrahlen.
„Nun Fräulein Rittmer, die Pünktlichkeit ziemt sich sehr…“
„Wir sind eigentlich auf die Minute pünktlich.“
„Wo ist denn Herr Buddensiek.?“
Elke war souveräner denn je: „Herr Buddensiek lässt sich kurz entschuldigen. Er musste dringend mit Herrn Röhrig kurz etwas erledigen. Er wird bald wieder hier sein….“
Jan schaffte es seine Konzentration von dem Gespräch wieder auf den Monitor zu lenken. Elke machte das souverän und müsste noch nicht einmal lügen. Die beiden Knacker sahen aus, als wenn sie direkt aus
einem kolorierten Weltkriegsfilm in die Anzüge gesteckt worden wären. Obersturmbandführer und Gauleiter nur in anderer Mission unterwegs.
„Wir lesen unsere Nachrichten ja auch nicht im Radio fürjeden auf dem Klo vor.“
Jan schnaubte in sich hinein. Dafür hatte er studiert… dafür war er nach Berlin gegangen… solche Fatzkes bezahlten sein Gehalt? Und solche Fatzkes flirteten jetzt mit Fräulein Elke dort in den Lounge Sesseln vor Eichefurnier? Umso schlimmer war das n.
Umso mehr ärgerte sich Jan gerade über das beschissene kleine, verkackte n in Frakturschrift. Er hasste es Fehler zu machen. Und nichts war schlimmer als Fehler bei solch einem Feind zu machen. Feind = Kunde Kunde = Feind
Oder wie Dirk immer so schön sagte: „Kunde droht mit Auftrag!“
Solche Sprüche konnte der. Da war der richtig gut drin. Aber gerade war er leider auch nicht vor Ort.
Jan schnaufte und rieb sich das Kinn. Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte ein n zuviel. Inmitten des Logos, inmitten des Gifs prangte ein kleiner deutscher Buchstabe und war zuviel: Allgemeinen.
Ja, das konnte man auch als Linguist leicht überlesen und dann ins Grübeln kommen, aber leider war hier nichts zu grübeln. Denn nur der kurze Blick über oder neben den Monitor, hätte auf mehreren ausliegenden Druckwerken den Beweis sofort erbracht. Es hieß: Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Ohne N!
„Afferto – Steinmetz…“
„Michael! Du bist wach!“
„Ich liebe Dich!“
Jan hatte nicht auf die Uhr geschaut sondern einfach die Berliner Durchwahl gewählt. Das Telefon hatte er sich hinter dem Tresen hervorgezogen und stand nun am Ende der gestreckten Schnur vor dem Monitor. Die Messehalle hinter ihm schien immer lauter zu werden. Jan fühlte sich wie im Bauch eines Raumschiffes oder Flugzeugträgers. Vor ihm das n und jetzt eine Mission.
„Michael – gut Du bist wach!“
„Ehm..“ Michael wollte das nicht gänzlich bestätigen und klang so als wenn er gerade Müsli vor einem Kühlschrank aß.
„Du musst sofort online gehen!“
Jan versuchte so leise wie möglich aber so bestimmt wie nötig in den Hörer zu sprechen.
„Äh Moment… ich muss erstmal meinen Rechner und dann den Server starten…“, Michael hatte die Ruhe weg, sprichwörtlich.
„Seid ihr heute nicht auf der Messe?“
Im Hintergrund hörte man den Startsound des Powermacs. Jan schaute kurz zu den Frackträgern und Elke.
Ihre kurz in seine Richtung hochgezogene Augenbraue nahm Jan wahr hatte aber keine Idee, wie er darauf reagieren sollte. Jan kroch in die Telefonleitung und sah quasi wie sich langsam auf Michaels Rechner die Sanduhr drehte. Er glaubte sogar das Rödeln der Festplatte zu hören.
„Wir waren gestern in dem neuen Tarrantino…“Michael wollte nur nett sein.
„Ja, Michael! Wir sind hier auf der Messe. Und hier ist gerade die Kacke am Dampfen!“
Jan lächelte dabei verkrampft in den Monitor und sah sein Spiegelbild matt über der Webseite der FAZ.
„Sorry, mir geht hier der Arsch auf Grundeis.“ Anschnautzen wollte er den lieben Michael eigentlich gar nicht.
„Du musst mir jetzt ganz genau zuhören und helfen.“
„Ist das Modem schon an? Bist Du schon online?“
Es war ein wenig still in der Leitung geworden. Jan schwitzte.
„Ich verbinde uns gerade.“ Michael war immer noch in der Leitung. Gott sei Dank.
Jan konnte im Hintergrund das Einwählgeräusch des Modems hören.
„Was ist denn da los bei Euch?“ Michael war langsam wach und kam in Bewegung.
„Du gehst jetzt bitte auf die FAZ -Seite im Netscape und machst bitte gleichzeitig den FTP an.“
Jan wusste nicht, wie viel Passwörter Michael nun gerade eingeben musste aber auf jeden Fall war er für diese Aufgabe der Richtige. Danach müsste man weiter sehen.
„Oh Mann, das kam jetzt ein bisschen dauern.“ Michaels Worte hallten durch den Telekom-Schlauch. Hier läuft gerade ein Backup und..“
„Nein, Michael! Das darf jetzt nicht dauern.“
Jans Stimme war vielleicht ein wenig zu laut.
„Michael. Brich das Scheiß Backup ab. Brich alles ab. Wir brauchen die ganze Leitung. Alles!“
Jan wurde erst jetzt bewusst, dass sein größter Feind die Geschwindigkeit war. Das kleine scheiß n war direkt vor seiner Nase auf dem Bildschirm. Und quasi Lichtjahre entfernt. Links oben in der Ecke des Bildschirms.
Ein Gif 89 a.
Logo-Faz. gif
Ein Pixelschiss oben in der Ecke einer Website, gebaut aus HTML im Text-Editor. Ca. 600 Zeilen Text einer von Hippies entwickelten Sprache, die man an einem Wochenende lernen konnte. Die einen aber auch den letzten Nerv kosten konnte.
„Okay. Ich versuche alles.“
Michaels Stimme war jetzt wacher. Jan überlegte fieberhaft.
„Ist Jörg schon da?“
Michael war gut für den Server Kram, aber mit Photoshop konnte Jan ihn nicht so im Verbindung bringen.
„Jörg? Der kommt heute gar nicht…“
„Oh Mist.“ Jan war panisch.
„Okay, der Reihe nach. Dann musst Du das jetzt machen. Bist du schon online?“
Michael stöhnte ein langgezogenes „Ja,.._ gleich… Ich bin fast dran.“
„Also , schau ganz genau hin.“
Jan versuchte sich mit Michael zu synchronisieren.
„Oben links. Siehst Du das Logo?
Michael stöhnte wieder.
„Moment. Die Seite lädt noch…“
Jan hatte die Seite ja hier vor sich. Der Rechner hier auf dem Messestand war am Laufen. Und online.
„Hast Du es jetzt?“
„Ja, ich sehe jetzt die Seite und was soll damit sein?“
Jan stöhnte.
„Guck ganz genau hin…“
Die Sekunden rauschten durch den Hörer und die Kilobyte krochen durch das WWW.
„Sieht doch alles gut aus…“
„Nein, Michael! Sieht nicht gut aus. Michael. Schau mal ganz genau hin. Da ist ein n zuviel!“ Jan zischte es in den Hörer. Stille im Hörer.
„Wo?“ Michael sah es nicht. Niemand hatte es gesehen. Jan wollte schreien, aber dann hätte es die Feinde sofort gesehen.
„Michael, bitte schau jetzt genau hin und Sag mir, dass Du auch schon den FTP auf hast.“
Michael grunzte etwas in den Hörer.
„Du musst jetzt bei uns in den Server gehen… oder nein halt… Du lädst jetzt am besten vom Server genau nur dieses eine Bild runter…
/Bilder/ Logo-Faz. gif
Das musst Du runterladen. Und dann musst Du Photoshop aufmachen.“
Jan sprach präzise und ruhig auf Michael ein. Wäre er jetzt im Büro hätte das Ganze nur zwei Minuten gedauert und Jan hätte dabei noch einen Cappucino getrunken.
„Photoshop?“ Michaels Stimme unterbrach ihn.
„Ich habe hier keinen Photoshop auf dem Rechner.“
Oh Gott. Jan sah in den Himmel der Messehalle.
„Scheiße.“
Jan wollte schreien. Einmal laut schreiend durch die Halle rennen, ein paar Leute anrempeln, in einen Moshpit springen… oder etwas zertrümmern. Fuck. Fuck. Fuck.
„Ich kann aber unter Linux …“
„Scheiße. Egal womit – Du musst nur dieses n da raus kratzen!“
Jan hätte nicht gemerkt, wenn es angefangen hatte zuschneien oder zu regnen. Er fühlte sich wie in Tron.
Er rannte über eine unendliche blaue Fläche und näherte sich einem riesig hohen weißen n in Frakturschrift.
Hinter ihm Sturz und Fegefeuer in ihren Jägerpanzern, die permanent auf ihn schossen. Jan zog seinen Diskus…
„Hey ho! Alles klar im Staate Dänemark!“
Jan hörte die Stimme, sie kam von weit weg auf der Ebene. War das das Master Control Program? MCP
„Na Jan, was machst Du denn hier vor der Glotze?“
Es war Tron! Dirk stand plötzlich in der Szene und das Getöse der Halle zog sich in den Hintergrund zurück.